Größendiskrimi-
nierungnierung: Eine unsichtbare Barriere in unserer Gesellschaft
Diskriminierung aufgrund der Körpergröße – auch Größendiskriminierung oder Heightism genannt – ist ein weit verbreitetes Phänomen, das dennoch oft übersehen oder bagatellisiert wird. Während andere Formen der Diskriminierung, wie rassistische oder geschlechtsbezogene Benachteiligungen, zunehmend im öffentlichen Bewusstsein verankert sind und gesetzlich geahndet werden, findet die Diskriminierung von sehr großen oder sehr kleinen Menschen kaum Beachtung. Die Tatsache, dass Größendiskriminierung im deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dem zentralen Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung, nicht explizit genannt wird, verdeutlicht die fehlende Anerkennung dieses Problems auf rechtlicher und gesellschaftlicher Ebene. Doch für die Betroffenen bedeutet dies oft erhebliche Einschränkungen im Alltag und bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Die Lücke im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Es bietet einen wichtigen rechtlichen Rahmen für den Schutz von Minderheiten und benachteiligten Gruppen. Doch die Körpergröße ist in dieser Aufzählung nicht enthalten. Dies hat zur Folge, dass Menschen, die aufgrund ihrer Größe benachteiligt werden, keine rechtliche Handhabe haben, um sich gegen diese Diskriminierung zu wehren. Arbeitgeber können Bewerber aufgrund ihrer Größe ablehnen, Vermieter können Mieter bevorzugen oder ausschließen, und im Dienstleistungsbereich können Nachteile entstehen, ohne dass die Betroffenen rechtlich dagegen vorgehen können. Diese gesetzliche Leerstelle sendet ein fatales Signal: Die Diskriminierung aufgrund der Größe wird als weniger gravierend oder gar als akzeptabel angesehen.
Der Alltag sehr großer Menschen: Eine Welt voller Hürden
Für sehr große Menschen mag es auf den ersten Blick so aussehen, als hätten sie Vorteile in einer Gesellschaft, die oft Größenvorteile impliziert. Doch der Alltag hält eine Vielzahl von Herausforderungen bereit, die für Normalgroße unsichtbar sind. Angefangen bei der Kleidungssuche: Standardgrößen passen selten, Hosen sind zu kurz, Ärmel zu weit. Die Auswahl an passender und modischer Kleidung ist stark eingeschränkt, oft auf spezielle und teurere Geschäfte beschränkt.
Im öffentlichen Nahverkehr und in Flugzeugen sind die Sitzabstände oft so gering, dass die Beine nicht ausreichend Platz finden, was zu unbequemen und schmerzhaften Reisen führt. Hotelbetten sind zu kurz, Türen und Decken zu niedrig, was zu ständigen Berührungen und Bücken zwingt. Selbst alltägliche Gegenstände wie Duschköpfe oder Arbeitsplatten sind oft nicht an ihre Körpergröße angepasst, was zu einer permanenten physischen Belastung führt.
Auch im Arbeitsleben können große Menschen Nachteile erfahren. Manche Berufsfelder sind schlichtweg nicht auf sie zugeschnitten, Maschinen und Arbeitsplätze nicht ergonomisch angepasst. Und obwohl es den Anschein haben mag, als würden große Menschen als kompetenter oder autoritärer wahrgenommen, kann es auch zu einer Reduzierung auf ihre Körpergröße kommen, bei der ihre Qualifikationen und Fähigkeiten in den Hintergrund treten.
Der Alltag sehr kleiner Menschen: Ständig übersehen oder unterschätzt
Für sehr kleine Menschen sind die Herausforderungen im Alltag oft noch gravierender und sichtbarer. Sie werden häufig im wahrsten Sinne des Wortes übersehen oder unterschätzt. Der Zugang zu alltäglichen Gegenständen wird zu einer Expedition: Regale sind unerreichbar, Geldautomaten zu hoch, Lichtschalter außer Reichweite. Supermarktbesuche werden zu einer frustrierenden Erfahrung, wenn Produkte in den oberen Fächern unerreichbar bleiben.
Im Straßenverkehr haben kleine Menschen oft Schwierigkeiten, eine optimale Sitzposition im Auto zu finden, die sowohl Sicherheit als auch Überblick gewährleistet. Die Bedienung von Maschinen und Geräten ist häufig ergonomisch nicht auf ihre Größe ausgelegt, was zu Belastungen oder sogar Gefahren führen kann.
Besonders im Berufsleben erfahren sehr kleine Menschen oft Vorurteile. Sie werden häufig als weniger fähig, weniger autoritär oder sogar als kindlich wahrgenommen. Dies kann sich in Schwierigkeiten bei der Jobsuche, bei Beförderungen oder in der alltäglichen Interaktion mit Kollegen und Vorgesetzten zeigen. Ihre Kompetenzen und Erfahrungen werden nicht selten aufgrund ihrer Körpergröße in den Hintergrund gedrängt. Soziale Interaktionen können ebenfalls belastend sein, da sie oft mit herablassenden Blicken, Kommentaren oder unbeholfenen Witzen konfrontiert werden. Das Gefühl, ständig "nach oben schauen" zu müssen, sowohl physisch als auch metaphorisch, kann psychologisch sehr belastend sein und das Selbstwertgefühl beeinträchtigen.
Für eine ausgrenzungsfreie Gesellschaft: Der Weg nach vorne
Die Nichtberücksichtigung von Größendiskriminierung im AGG und die alltäglichen Hürden, die sehr große und sehr kleine Menschen erleben, zeigen deutlich, dass Handlungsbedarf besteht. Eine truly ausgrenzungsfreie Gesellschaft muss alle Formen der Diskriminierung anerkennen und bekämpfen. Dazu gehören:
- Aufklärung und Sensibilisierung: Es ist von entscheidender Bedeutung, das Bewusstsein für Größendiskriminierung zu schärfen. Viele Menschen sind sich der Probleme, mit denen sehr große und sehr kleine Menschen konfrontiert sind, schlichtweg nicht bewusst.
- Gesetzliche Anpassungen: Eine Erweiterung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes um den Merkmalsbereich "Körpergröße" wäre ein wichtiger Schritt, um Betroffenen eine rechtliche Grundlage zu geben und ein klares Signal zu senden, dass diese Form der Diskriminierung nicht toleriert wird.
- Barrierefreiheit und Ergonomie: Bei der Gestaltung von Produkten, Infrastruktur und Arbeitsplätzen sollte die Vielfalt der Körpergrößen stärker berücksichtigt werden. Dies würde nicht nur sehr großen und sehr kleinen Menschen zugutekommen, sondern die Lebensqualität für alle verbessern.
- Abbau von Vorurteilen: Stereotype und Vorurteile gegenüber Menschen aufgrund ihrer Größe müssen aktiv hinterfragt und abgebaut werden. Es geht darum, Menschen als Individuen zu sehen und nicht auf ihre Körpergröße zu reduzieren.
Die Diskussion über Größendiskriminierung ist längst überfällig. Indem wir uns diesen unsichtbaren Barrieren stellen und sie sichtbar machen, können wir einen wichtigen Schritt in Richtung einer wirklich inklusiven und gerechten Gesellschaft gehen, in der die Körpergröße keinen Einfluss auf Chancen und Teilhabe hat.
Haben Sie weitere Fragen zur Größendiskriminierung oder möchten Sie mehr über spezifische Aspekte erfahren